Britta Preusse steht auf der Brücke und schaut auf das Wasser in Hamburg

Mein neuer beruflicher Weg in Hamburg

Vor einem Monat hatte ich meinen ersten Arbeitstag bei der Beratungsstelle für Sterben, Tod und Trauer CHARON in Hamburg. Viereinhalb Jahre war ich auf der Suche nach einem neuen Leben und einer neuen beruflichen Zukunft.
Einem großen Verlust folgen viele kleine.

Berufswünsche als Kind hatte ich viele: Restauratorin, Antiquitätenhändlerin, Architektin, Plakatmalerin und Grafikdesignerin. Im Alter von zehn Jahren wusste ich, dass ich etwas Kreatives machen wollte. Ich wusste oft nicht, wie ich zu meinem Ziel komme, vor allem aber wusste ich, was ich nicht wollte.

Die Wege, die ich mir aussuchte, waren nicht immer die einfachsten. Ob das an meiner Eigenwilligkeit liegt? Gewiss. Ich bin immer meinem Herzen gefolgt. Ich wollte etwas tun, das mich erfüllt und Spaß macht. Ich war saugfähig wie ein Schwamm für Inspirationen und brannte für gute Ideen.

Nach Carstens Tod musste ich mich von vielen Dingen in meinem Leben verabschieden. Von meinem Mann, unserer Zukunft, unserem Zuhause und auch meinem Job als Designerin, Unternehmerin, Geschäftsführerin, Kollegin. Erst viel später erkannte ich, dass ich auch diese beruflichen Verluste betrauern durfte und sie gesehen werden wollten. 

Diese Verluste wollten wirklich gesehen werden!

Ich habe viereinhalb Jahre lang nach neuen beruflichen Möglichkeiten gesucht, versuchte an alte Zöpfe anzuknüpfen. Nichts fruchtete und nichts fühlte sich stimmig an. Stimmig zu meinem an der Trauer gewachsenen Ich. Stimmig zu meinem Blickwinkel auf das Leben, jetzt wo ich dem Tod begegnet bin.

Die Auseinandersetzung damit war schmerzhaft. Zeitweise hatte ich die Befürchtung, dass ich nie wieder für etwas brennen könnte. Dass ich in dem ganzen Design Business nicht mehr klar kommen könnte. Über zwei Jahre lang hatte ich diesen Nebel im Gehirn – der übrigens total normal ist! Die ganzen vielen Tätigkeiten, die ich ausprobiert habe (du erinnerst dich vielleicht an meine Ausflüge in die Lokalpolitik und die Wirtschaftsförderung), erschienen mir zunächst als hätte ich versagt oder Fehler gemacht. Ich hatte ständig das Gefühl nirgends mehr dazu zu gehören. Lange Zeit lebte ich nur von der Witwenrente (zum Glück gibt es die!). Puh, wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie anstrengend die viereinhalb Jahre waren, möchte ich dahin nicht zurück.

Aber ich habe das alles geschafft und ein neuer Weg hat sich aufgetan – nämlich genau dann, als ich auch meine beruflichen Verluste gewürdigt habe. Nun sind sie befriedet.

Alles, wie es sein soll!?

Manchmal habe ich das Gefühl, dass einige Stationen in meinem Leben vorgezeichnet sind. So schrieb ich bereits 2005 in meinem Diplom über die Bestattungskultur und hatte Ideen für ein Designer-geführtes Ladenlokal, in dem Trauer auch in den öffentlichen Bereich gerückt wird und Bestatter zeitgemäßes Design und Marketing bekämen.

Mir fehlte der Mut meine Idee umzusetzen. Doch ich ahnte, dass mir die Themen Sterben, Tod und Trauer nochmal auf die Füße fallen. So verwundert es nicht, dass ich vor zwei Jahren die Ausbildung zur Trauerbegleiterin begann und mir das Stellengesuch von Charon ins Postfach flatterte, oder?

Vielleicht soll das alles so sein!?

In meinem neuen Job bin ich Teamleiterin und begleite die Organisation in einem Change Prozess. Mit meinem Designauge schaue ich auf die Öffentlichkeitsarbeit und mit Empathie begegne ich trauernden Menschen. 

Eine Reise durch eine neue Landschaft.

Nun ist der erste Monat rum, ich habe mich wahnsinnig gut eingelebt. Viele Eindrücke, die auf mich einwirken und nun geistig und körperlich verarbeitet werden.

Von Null auf Hundert – mein Terminkalender zählt bis heute bereits über 20 Gespräche mit Trauernden. Das muss ich tatsächlich verstoffwechseln. Es tut gut ins kalte Wasser zu springen, ich weiß, dass ich das kann. Doch Selbstfürsorge sollte immer an erster Stelle stehen.

Die Hamburger Landschaft im Bereich Pflege, Hospizdiensten, Trauerangeboten und allen weiteren Leistungen rund um das Lebensende kennenzulernen ist spannend und das Verständnis für die ganzen Netzwerke und Einrichtungen herausfordernd. Nun bin ich gespannt, wie intensiv und inspirierend die nächsten Monate werden.

Mein Hund Cooper macht auf jeden Fall einen super Job als „Beratungsstellenhund“ aka „Waubegleiter“. Er begrüßt und verabschiedet alle an der Tür, tröstet bei Tränen, liegt schlafend beruhigend auf dem Boden, lässt sich kraulen und gibt Pfötchen gegen Leckerlis. Ich denke, er macht den besseren Job von uns beiden!

Das Jahr der Möglichkeiten.

Ich vergebe jeden Dezember ein Motto an das neue Jahr. Das kommt mir einfach in den Sinn und am Jahresende stellt sich heraus, dass es sehr gut passte. 2024 ist das Jahr der Möglichkeiten. In Möglichkeiten stecken: Wege, Wahrscheinlichkeit, Perspektive, Hoffnung, Chance, Kurs, Gelegenheit, Maßnahme, Aussicht, Werkzeug, Option, Erwartung, Methode, Prozess, Aktion, Kurs, Fähigkeit, Begabung, Handlung, Leistung …

… in diesem Sinne werde ich weiterhin nach Möglichkeiten Ausschau halten und diese ergreifen. Trauer hat auch ganz viel mit Ausprobieren zu tun. Das Leben besteht aus Möglichkeiten, aus Entscheidungen, aus Wegen. Ich gehe meinen Weg weiter und bin gespannt, wo er noch hinführen mag.

Da ist dieses Urvertrauen, das mich leitet.



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